Gedanken zur Fastenzeit

Damit war nicht zu rechnen:
Da kommt einer von oben nach unten,
vom Himmel auf die Erde.
Alles strebt doch in die umgekehrte Richtung.
Alle streben nach oben.
Alle möchte aufsteigen, Sprosse um Sprosse:
Karriere machen, sich einen Namen machen,
in Wohlstand und Luxus leben.
Und jetzt kommt einer von oben nach unten auf der Lebensleiter.
Er hält nicht krampfhaft fest, was er hat. Er lässt alles los:
seine Macht, seine Stellung, seine Heimat, seine Geschichte,
ja, sogar sich selbst.
Er lässt alles los und klettert nach unten.
Er ist der heruntergekommene Gott.
Damit war nicht zu rechnen.
Er lacht mit uns Menschen, und er leidet mit uns Menschen.
Er lässt sich herab zu den Hungernden und Ohnmächtigen,
zu den Kranken und Ausgestoßenen,
zu den Verzweifelten und auch zu den Sündern.
Aber er bleibt auch bei ihnen nicht stehen.
Er geht noch tiefer; er lässt sich noch tiefer herab,
wie ein Rettungstrupp, der nach verschütteten Bergleuten sucht. Er steigt hinunter bis zu den Toten.
Und er nimmt sie alle mit, die ganz unten sind:
die Leidenden und die Toten.
Er, unser Lebensretter, nimmt uns alle mit,
von ganz unten nach ganz oben.
Er rettet uns in den Himmel hinein!
Damit war nicht zu rechnen.

Text: Pater Wilhelm Ruhe, Kloster Bardel, frei nach Pastor Andreas Brummer, in: Bardeler Fastenmeditationen 2016
Foto: Matthias Wienand, www.pfarrbriefservice.de