Seit 2008 gibt es in zahlreichen Landesmusikräten die Idee, ein Aktionsprogramm für ein bestimmtes Instrument innerhalb eines Jahres zu starten und so den Fokus darauf zu richten. Nach der Violine 2020 wurde in diesem Jahr die Orgel ausgewählt. Aus diesem Anlass sollen in einer Artikelreihe der Pfarrbrief-Ausgaben die Pfeifenorgeln in den Kirchen und Kapellen unserer Pfarreiengemeinschaft vorgestellt werden.
In der dritten Folge geht es um das Instrument in der Mutterhauskirche der Waldbreitbacher Franziskanerinnen in Glockscheid.
„Ein zahnloser Tiger“, so hat der Orgelstimmer der Firma Klais Heinrich Schwadorf das Instrument in der Mutterhauskirche einmal bezeichnet. Aber weshalb „Tiger“ und weshalb „zahnlos“?
Die Orgel in der Mutterhauskirche der Waldbreitbacher Franziskanerinnen wurde 1939 als opus 932 von der Orgelbaufirma Johannes Klais gebaut, die 43 Jahre zuvor bereits die Orgel in der Pfarrkirche Waldbreitbach errichtet hatte. Über die Erbauung sind bei der Firma Klais in Bonn keine Unterlagen zu finden, da ein schwerer Bombentreffer im Zweiten Weltkrieg das gesamte Archiv vernichtet hatte.
Vom April 1958 ist ein Brief erhalten, in dem Änderungsvorschläge zur Aufstellung der Register gemacht werden. So sollte im Oberwerk, also im zweiten Manual statt der Vox cœlestis ein Scharff und statt der Schweizerpfeife 4’ eine Flöte 2‘ eingebaut werden. Im Hauptwerk sollte das Lieblich Gedackt 8’ zugunsten eines Gedackt 16‘ entfernt werden. Außerdem war vorgesehen, das Pedalwerk um eine leise Zungenstimme zu erweitern. All diese Pläne blieben unausgeführt und so stellt sich die Orgel heute in ihrem Originalzustand dar: Ein nobles Instrument mit vielerlei Farben, im Gesamtklang eher zurückhaltend und der kleinen Kirche akustisch angepasst.
Die Orgel der Mutterhauskirche hat übrigens mit ihren 20 Registern mehr Register als die Orgeln der Pfarrkirchen in Waldbreitbach (19 Register) und Niederbreitbach (18 Register). An Klangvolumen ist sie jedoch deutlich unterlegen. Dies hängt auch mit der speziellen Aufgabe der Orgel zusammen, den Chorgesang der Ordensschwestern zu begleiten. Dafür war keine große Klangfülle nötig. Deshalb ist die Bezeichnung „zahnloser Tiger“ zwar humorvoll gemeint, aber durchaus zutreffend.
Meistens wird der Orgeldienst in einem Kloster von Ordensangehörigen übernommen. So war es bis vor kurzem auch auf dem „Heiligen Berg“. Vom Jahr 2000 (das war übrigens auch mein Dienstbeginn) bis kurz vor ihrem Tod im Mai dieses Jahres spielte Sr. Helmtrudis Menzenbach die Orgel in der Mutterhauskirche. Viele aus unserer Pfarreiengemeinschaft werden sich gerne an sie und ihr heiteres und kontaktfreudiges Wesen erinnern. Das Bild zeigt sie bei der Feier ihres 80. Geburtstags im Forum Antoniuskirche. Mit ihrer bis ins hohe Alter sicheren und schönen Stimme hat sie außerdem viele Gottesdienste auch in unseren Pfarrkirchen bereichert. Unseren Chören, vor allem dem Kinder– und Jugendchor war sie herzlich verbunden, im Kirchenchor Waldbreitbach hat sie sogar zeitweise selbst mitgesungen. Ein Herzensanliegen war für Sr. Helmtrudis auch die musikalische Förderung junger Menschen, hier ist besonders Tobias Schneider zu nennen. Ein Höhepunkt war für sie und viele von uns die Gestaltung der Seligsprechung Mutter Rosas im Trierer Dom 2008, wo sie im Chor mitsingen durfte. Einige Tage vor ihrem Tod konnte ich sie noch besuchen und sie erzählte davon mit großer Begeisterung. Sr. Helmtrudis war für mich nicht nur eine liebenswerte Kollegin, sondern ein Segen in vielerlei Hinsicht. Wir vermissen sie sehr und hoffen, so formulierte es Generaloberin Sr. Edith-Maria, „dass sie nun einstimmen kann in den nie endenden Lobgesang der himmlischen Chöre“.
Dekanatskantor Peter Uhl