Kapelle Reifert

Kapelle “Maria Geburt” Reifert

Die Reiferter Kapelle wird 1767 erstmalig erwähnt, doch ist sie, nach den Ausstattungsgegenständen zu urteilen, viel älter. 1849 wurde das kleine Gotteshaus erneuert und am 8. September 1849 unter dem Titel der alten Kapelle, Maria Geburt, eingesegnet. Der Kapellenplatz war von einem Gemeindemitglied gestiftet worden. An Kostbarkeiten weist die Kapelle zwei Statuen auf, und zwar die Tonfigur des hl. Donatus aus der Mitte des 15. Jahrhunderts…

… und eine Madonna aus dem 18. Jahrhundert, die im folgenden Text näher beschrieben werden soll.

Die Madonna von Reifert

Die Madonna von Reifert gehört neben der Madonna zu Bürder und der Pietà von Verscheid zu jenen drei Madonnen, die in den letzten Jahrhunderten stumme Zeugen der jeweiligen Zeit wurden. Die Einzelheiten ihrer Herstellung verraten dem aufmerksamen Beobachter den künstlerischen Wert und auch den Geist und das Lebensgefühl, in dem sich der Künstler befand, als er diese Madonnenstatue anfertigte. Maria hält den Stab in der linken Hand, nach oben in eine Lilie auslaufend. Die Lilie wurde stets als ein Symbol der Reinheit verstanden, in allem dem Baum der Erkenntnis des Paradieses entgegenstehend, dessen Apfel ein äußeres Zeichen für die in die Welt gekommene Sünde war. Die Faltenführung des Gewandes ist eher schlicht gehalten und weicht von den vergleichbaren Madonnenstatuen ab. Den Geist der Zeit, der dem Künstler vorgegeben war, verdeutlicht in besonderer Weise der Jesusknabe. Der Jesusknabe in Reifert zeigt eine künstlerische Ausformung, die überdeutlich ausdrückt, wie der Knabe selbstzufrieden in sich gekehrt ist. Er greift spielerisch nach einer Weltkugel, ohne dabei den Anspruch des Herrschers geltend zu machen. Die überflüssige Haartracht des Jesusknaben stimmt überein mit dem lang herabfallenden Haar Mariens, das aber sichtbar gut herausgearbeitet ist. Maria trägt nicht mehr eine überdimensioniert große Krone, wie noch üblich in mittelalterlicher Zeit. Der Kopf Mariens ist dem Sohn noch zugeneigt, aber ihr Blick gilt weder dem Kinde noch dem Beobachter, vielmehr schaut sie mit dem leisen Hauch der Schmerzensreichen in die Zukunft.

Wer diese Statue entstehungsgeschichtlich einordnen will, wird am besten den Vergleich mit den anderen Madonnen im Neuerburger Land suchen. Auffallend ist noch bei der Reiferter Madonna, dass die Mutter-Kind-Einheit nur in einem schwachen Anflug vorhanden ist. Der Jesusknabe scheint sich in dieser Welt ausgesprochen wohl zu fühlen: keineswegs ist er im Begriffe, eine sündige Welt zu überwinden. Weit entfernt ist diese Statue von der Kargheit der mittelalterlichen Herstellungstechnik, aber auch die Üppigkeit des Barock, wie sie die Madonna in der Waldbreitbacher Kirche noch kennzeichnet, hat an der Reiferterin keinen Anteil. Die selbstgenügsame Art der Darstellung weist in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts; damals fingen die Menschen an, sich der eigenen Kräfte für die Lebensgestaltung zu erinnern. Sie waren froh, Kinder dieser Welt zu sein und nicht bloß Pilger. In dieser Zeit verdankt die Reiferterin dem Künstler ihre Entstehung. Sie ist offenbar keine Seriendarstellung wie die Madonna in Bürder. An der Seite des 400 Jahre älteren Donatus wird die Madonna von Reifert den Menschen des Landes ein Segen gewesen sein.

Aus: 750 Jahre katholische Pfarrgemeinde „Maria Himmelfahrt“ Waldbreitbach, 1987

Die Kapelle in Reifert: Alfons Hoffmann / Richard Schicker

Die Madonna von Reifert: Albert Hardt