Albertuskapelle Wolfenacker

Die Albertuskapelle in Wolfenacker

Der Grundstein zu diesem Heiligtum wurde gelegt am Fest der heiligen Hildegard, dem 17.9.1982. Die Kirche feierte zur Erinnerung an das 800. Geburtsjahr des heiligen Franz von Assisi das „Franziskanische Jahr“. Die feierliche Einweihung fand statt zu Beginn des Marienmonats, dem 1. Mai 1983, kurz nach der Eröffnung des „Außerordentlichen Heiligen Jahres“ durch Papst Johannes Paul II. Die feierliche Konsekration des Altares vollzog Weihbischof Leo Schwarz am 28.9.1984.

Das eigentliche Kleinod dieser Kapelle sind der Altarchristus und die Marienfahne. Sie stammen aus der Lagerkapelle im Offlag 401 Mulsanne/Sarthe in Frankreich. Sie zu bergen und für sie eine würdige Stätte zu errichten waren der eigentliche Grund für den Bau der Albertuskapelle. Vor diesen religiösen Symbolen haben viele von den 10.000 gefangenen Offizieren ihren Glauben gefunden oder wiedergefunden. Hier feierten sie die oft ergreifend gestaltete Liturgie, hielten sie mit Kirchenchor und gregorianischer Schola kirchenmusikalische Andachten und Feierstunden, hörten sie Vorträge bedeutender französischer Theologen – u.a. von Ives Congar – betrachteten sie Dias großer Kunstwerke und beteten sie um eine baldige und gesunde Heimkehr, um das Wohlbefinden ihrer Angehörigen und für die arme zerstörte Heimat. Hier holten sie sich Mut und Kraft zum eigenen Durchhalten.

Von künstlerisch begabten Gefangenen wurden diese Symbole, da in diesen schweren Zeiten alle geeigneten und erforderlichen Werkzeuge fehlten, mit denkbar einfachsten Mitteln erstellt.

So wurde aus einem stück Eichenholz von der Lagerküche der Christuskorpus mit amerikanischen Konservendosen, deren Ränder man auf den Lagergeleisen scharf geklopft hatte, oder alten gebrauchten Rasierklingen heraus geschnitzt. Es entstand ein echtes Kunstwerk.

Alles Elend im Antlitz des Gekreuzigten lässt den alles Leid überwindenden verklärten Zug nicht übersehen und die weit ausgespannten Arme geben dem Beter Ermutigung und Hoffnung.

Die Marienfahne besteht aus amerikanischen Mehlsäcken, auf die Tuchfetzen – u.a. Unterfutter aus den Uniformröcken – aufgeheftet wurde. Die Konturen des Jesusknaben und der Gottesmutter wurden hergestellt aus Fäden, die man aus den Bettdecken heraus gelöst hatte. Die Goldverzierung an Aureolen und Sandalen sind Kolbenringe von den Uniformmänteln der Marineoffiziere.

Tröstend hält die Mutter den betenden Gefangenen ihren Sohn entgegen.

Nach Auflösung des Offlag hat dann der letzte Lagerpfarrer Albert Dömer aus Wolfenacker Korpus und Fahne geborgen. Die Kreuzesbalken hat er dem Pfarrer von Mulsanne übergeben, in dessen Kirche sie nunmehr als Zeichen friedvoller Verbundenheit zwischen unseren Völkern aufbewahrt werden.

Der von Stefan Hardt angefertigte und durch ein strahlendes Kreuz als Auferstehungsaltar gekennzeichnete Marmorblock hat ein sichtbares Reliquiengrab.

Es birgt als bedeutendste Kostbarkeit einen Splitter vom Hl. Kreuz, durch Vermittlung von Bruder Hieronymus vom Patriarchen in Jerusalem geschenkt. Dazu kommen Reliquien des Hl. Albertus durch den Lateran in Rom, der Hl. Hildegard aus der Benediktinerinnenabtei in Eibingen, des zuletzt heilig gesprochenen Papstes Pius X., und der kleinen Hl. Therese von Lisieux. Auf Wunsch der französischen Bischöfe opferte und betete täglich eine ihrer Karmelitenschwestern für einen deutschen Lagerpfarrer und seine seelsorgerische Tätigkeit an seinen Kameraden.

Die Schutzmantelmadonna ist das Werk eines im Lager angeschossenen evangelischen Kameraden, der während seines Aufenthaltes im Krankenrevier auf Presspappe mit einfachsten Farben seine Frau, seine Kinder und sich selbst unter dem Mantel der Madonna gemalt hat. Es ist die ständige Leihgabe seines Kameraden Günter Gottmann, der dieses als Altarbild in der Kapelle des Lagers Lievin dienende Madonnenbild für die Heimat geborgen hat.

In dieser Kapelle werden auch die Briefe von zwei Päpsten aufbewahrt. Sie sind ein Zeugnis für die Bemühungen der Kirche um die deutschen Kriegsgefangenen und um den Frieden in dieser Welt. Der erste Brief ist eine Antwort des damaligen Nuntius in Paris, Angelus Roncalli – des späteren Papstes Johannes XXIII. – auf die Sorgen der deutschen Lagerpfarrer um ihre gefangenen Kameraden. Der zweite ist die Antwort Papst Pius XII. durch seinen Instituten beim päpstliche Staatssekretariat Erzbischof Montini – dem späteren Papst Paul VI. Es war eine Antwort auf die Adresse der letzten 3000 gefangenen Offiziere kurz vor ihrer Entlassung aus der Gefangenschaft. Der Originalentwurf dieser Adresse ist den Briefen beigefügt. Somit ist diese Kapelle zugleich eine Stätte der Erinnerung und ein Mahnmal zum Frieden.

Unter den Briefen ist eine Skizze des Lagers, angefertigt von einem Gefangenen.

Über den Papstbriefen ist eine Darstellung des Hl. Petrus – eine Keramik auf Klinker gebrannt. Sie ist ein Geschenk des Prof. Josef Derichs auch Eichenau bei München an die Baronin von Cetto, die es dann an die Kapelle gestiftet hat in Erinnerung an ihren plötzlich verstorbenen Gatten, der auch Gefangener im obigen Lager gewesen ist.

Prof. Derichs hat auch die Fenster gemalt, die dann von der Mayerschen Hofkunstanstalt in Münchengefertigt wurden. Zwar angeglichen an die Romanik des Kapellenbaukörpers haben sie aber einen direkten Bezug zur gegenwärtigen Zeit und ihren Problemen.

Dargestellt sind zwei der größten deutschen Naturforscher, dazu Seher- und Friedens-gestalten aus dem hohen Mittelalter, die sich vor allem im Rheinland einer besonderen Verehrung erfreuen und dort auch ihre letzte Ruhestätte gefunden haben. Der Hl. Albertus Magnus hält seinen Ordensbrüdern eine Vorlesung aus seinen Werken (sh. Foto). Die Hl. Hildegard diktiert ihrem Schreiber, dem Mönch Norbert, ihre Visionen. Sie hat sich darüber auf einer Wachstafel Aufzeichnungen gemacht. Gerade diese beiden Heiligen ermöglichen uns in unserer Zeit eine dringend erforderliche Besinnung. In der Zeit der Umweltverschmutzung und erschreckenden Zerstörung der Natur weisen sie wieder hin auf die Schöpfung als Zeichen göttlicher Schönheit und Güte. In unserer lauten „eindimensionalen“ Welt, in der die Lebensgestaltung fast nur noch auf Geltung und Profit abgestellt ist, rufen sie uns zur Innerlichkeit und zur notwendigen Kontemplation über die Würde des Menschen und ein dieser Würde entsprechendes wesensgerechtes Leben.

Den Fenstern gegenüber ist von Prof. Derich noch eine Keramik. Sie ist sozusagen die „künstlerische Ahnfrau“ von etwa 40 bedeutsamen Kreuzwegen, die er in den großen Kirchen und Domen innerhalb und außerhalb Europas geschaffen hat. Sie hängt zwischen zwei Betongüssen eines unserer jungen Künstler aus dem Wiedtal.

Hans Rams hat die mit unserer Gegend nach dem Volksglauben sehr verbundene Hl. Elisabeth von Thüringen als Zuflucht und Helferin in jeglicher Not dargestellt. Die Fürstin verteilt das notwendige Brot an die Armen. In franziskanischem Geist ihr verbunden weist im zweiten Relief Mutter Rosa, eine Tochter aus der ehemaligen Fleschmühle in Niederbreitbach und Stifterin des Ordens der Franziskanerinnen von Waldbreitbach, ihre Ordensschwestern an, unserer Zeit materiell und geistig das „erforderliche Brot“ zu brechen und auszuteilen.

Wir betreten die Kapelle durch die Tür der alten Pfarrkirche von Niederbreitbach. Ein Schreinermeister aus der Pfarrgemeinde, Hans Scheid, hatte sie seinerzeit für seine gesunde Heimkehr aus dem Krieg gestiftet und die sehr alten Beschläge beibehalten. Als die alte Kirche zur Friedhofskapelle wurde, die nunmehr eine neue Tür erforderte, hat sein Schwiegersohn Johannes Birnbach die alte als Eingang zu unserer Kapelle hergerichtet.

Die Engelfiguren rechts und links der Tür und die Pieta im Giebel waren Ornamente des alten Kriegerdenkmals im abgerissenen Teil der alten Pfarrkirche.

In dem Raum vor der Kapelle stehen noch zwei erwähnenswerte Kunstwerke: das Buerkreuz und der Albertusbrunnen. Das Buerkreuz wurde von dem Bildschnitzer H. Helwegen aus Koblenz geschaffen für die Grabstätte der drei geistlichen Brüder aus dem Hause des Landwirts Buer aus Niederbreitbach. Es dient nunmehr vor der Albertuskapelle als Marterl, das die Besucher ins Heiligtum einweist.

Der Albertusbrunnen

Er wurde gefertigt von den Schülern einer Meisterklasse der Bildhauerschule in Mainz-Hechtheim unter Anleitung ihres Lehrers Mosen. Er ist eine Stiftung des Präsidenten der Handwerkskammer Sauer.

Die in Stein gehauene Exegese über das Wasser als „Quell des Lebens“ wurde verfasst und angefertigt von der Steinmetzschülerin Susanne Hardt aus Niederbreitbach.

Das Dach über dem Brunnen, eine Anlehnung an das Türmchen der Kapelle, ist das Werk eines jungen Installateurs, Bernd Wittlich aus Kurtscheid.

Entwurf und Plan der Albertuskapelle sind das Werk des jungen angehenden Architekten Willi Schrott aus Kurtscheid, dessen Vater mit seiner Firma die erforderlichen Bauarbeiten leistete. Auf einem schlichten romanischen Unterbau – 3 x 5 m – mit zwei Rundbogenfenstern und einer Apsis hat er ein um zwei Meter vorgezogenes Dach mit einem Dachreiter installiert. Das Dach ist nachempfunden dem Dach der Offlagkapelle in Mulsanne/Sarthe, Frankreich. Fußboden und Altar sind nach Entwurf und Ausführung von Stefan Hardt aus Niederbreitbach, die Aufbauten von Dach und Dachreiter sind ein „Baustein“ von Hannes Henn aus Wolfenacker, die Verkupferung von Dach und Türmchen sind eine Arbeit und Stiftung von Franz Wittlich aus Kurtscheid. Was in Kapelle und Umgebung an Schlosserarbeiten zu leisten war, ist ein uneigennütziger Beitrag von Lorenz Prangenberg aus Niederbreitbach. Mit den genannten und ungenannt gebliebenen Freunden, Helfern und Spendern möchte ich zugleich auch all denen danken, die mit Wohlwollen das entstandene Werk begleitet haben. Wenn unser Glöckchen, ein Geschenk der Franziskanerbrüder aus Hausen – gegossen 1889 in einer Glockengießerei in Metz – uns ruft zum Angelus, zur Maiandacht, zum Rosenkranzgebet und zum Gottesdienst, so wollen wir uns von Herzen darüber freuen, dass wir nun haben, was unsere gläubigen Vorfahren sich immer von Herzen gewünscht haben: einen Ort der Stille und Besinnung und des Segens für unser Dörfchen und seine Bewohner. Der Hl. Josef, der Schutzpatron der Kirche, dessen Statue neben den Kirchenbänken ein Geschenk der Franziskanerinnen von Waldbreitbach ist, möge auch unser kleines Heiligtum behüten.

Heiliger Joseph, Schutzpatron der Kirche,
bitte für uns.

Ihr Msgr. Albert Dömer

Dieser Text ist der Informationsschrift “Albertuskapelle in Wolfenacker bei Niederbreitbach im Wiedtal” entnommen; das Erscheinungsjahr ist nicht bekannt.